Rats-Apotheke in Höxter schließt - Abschied nach fast 100 Jahren

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Rats-Apotheke in Höxter schließt - Abschied nach fast 100 Jahren
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Rats-Apotheke in Höxter schließt - Abschied nach fast 100 Jahren
In dritter Generation führt Ulrich Finke die Apotheke in Höxters Innenstadt

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Arbeitsplatz seit 38 Jahren: Ulrich Finke führt seit 1980 die Rats-Apotheke. Am 31. Dezember wird er zum letzten Mal die Türen des fast seit 100 Jahren bestehenden Geschäfts öffnen. | © Amina Vieth
Arbeitsplatz seit 38 Jahren: Ulrich Finke führt seit 1980 die Rats-Apotheke. Am 31. Dezember wird er zum letzten Mal die Türen des fast seit 100 Jahren bestehenden Geschäfts öffnen. | © Amina Vieth


von Amina Vieth
10.12.2018 | 10.12.2018, 16:58
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Höxter. Die Rats-Apotheke an der Marktstraße in Höxter gehört seit fast 100 Jahren zum Stadtbild. Ein geschichtsträchtiges Fachwerkhaus, das seit drei Generationen einen Familienbetrieb beherbergt. Doch zum Jahresanfang ist Schluss. Ulrich Finke schließt die Apotheke. Ausschlaggebend dafür ist aber nicht nur der Mitbewerber in unmittelbarer Nähe. Es fehlen Ärzte.

Eröffnet 1920: Die Rats-Apotheke in Höxter. - © Repro Amina Vieth
Eröffnet 1920: Die Rats-Apotheke in Höxter. | © Repro Amina Vieth
"Wir sind eine der wenigen Apotheken, die keinen Arzt bei sich haben", betont UIrich Finke. Wo kein Arzt ist, bleiben auch viele Kunde weg. Als die Ärzte damals die Innenstadt verließen oder kein Ersatz kam, "haben wir das richtig gemerkt". An Ärzte- und Krankenhäuser sind Apotheken angegliedert, in der Innenstadt müssen sie auch ohne Arzt als Nachbarn auskommen. Was die Lage erschwert. "Es liegt nicht nur an den Mitbewerbern", weiß Finke.

1980 waren es auch schon sechs Apotheken
Seit 1980 führt er die Apotheke, damals gab es auch schon sechs Apotheken in der Stadt, erinnert sich der 66-Jährige. Und sind es auch heute noch. "Wenn wir schließen, sind es noch fünf." Damit endet dann auch die Geschichte eines Familienbetriebs. 1920 eröffnete sein Großvater die Rats-Apotheke, der Name Franz Finke prangte an der Hauswand.

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Vier Semester hatte er studiert, mehr sei damals nicht nötig gewesen, erinnert sich der Enkel. Auch Ulrich Finkes Vater Hans Finke musste nur vier Semester Pharmazie studieren. Er übernahm 1936 den Betrieb. Genau genommen muss es Dr. Hans Finke heißen: "Er war einer der wenigen Apotheker, die einen Doktortitel hatten", erinnert sich Ulrich Finke.

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1957 stand dann eine große Sanierung an. "Der Fachwerkteil des Hauses wurde vollkommen entkernt und nach neuestem Stand der Technik restauriert." Es sei das erste Haus in Höxter gewesen, das nach dem Zweiten Weltkrieg in dieser Form überarbeitet wurde.

Zudem gab es eine neue Einrichtung für die Apotheke. Die "dunklen, fast schwarzen, gebeizten, kleinen Schubladen" hatten ausgedient. Noch einmal neu eingerichtet wurde dann 1975, fünf Jahre später übernahm Ulrich Finke die Apotheke.

Freiwillig den Beruf ergriffen
Für ihn war klar, dass er nach dem Abitur auch das Pharmaziestudium antreten wird, sieben Semester in Münster. Zuvor waren aber auch noch zwei Jahre Ausbildung notwendig, "wie zur PTA", erklärt Finke. Von der Familie auferlegt wurde der berufliche Werdegang aber nicht, "mich hat das gereizt, auch diesen Beruf zu ergreifen".

Auch seinen Kindern, von vier sind drei bereits erwachsen, erwartete er nicht, dass sie die Apotheke übernehmen. Sie sollten sich ihren beruflichen Werdegang selbst aussuchen - das taten sie. So gibt es keinen Nachfolger für die Rats-Apotheke. Für Ulrich Finke aber kein Grund, traurig zu sein. Auch nicht, dass er genau ein Jahr und 20 Tage vor dem 100-jährigen Bestehen die Türen für immer schließt. Es gehe ihm nicht um Prestige. Er werde einige Kunden vermissen, "aber die Tätigkeit an sich nicht".

Große Konzerne haben die Vorteile
Das Dasein als Apotheker und als Apotheke habe sich stark verändert. Durften Apotheken früher noch Hustensäfte oder Kosmetikprodukte selbst herstellen und verkaufen, sei das heute wegen strenger Auflagen und Regelungen nur noch großen Konzernen möglich. Eine Apotheke werde heute überwiegend als Unternehmen gesehen. "Es geht alles hin zum Kaufmännischen", bedauert Finke. Und auch der Onlinehandel mit Medikamenten wachse.

Bei einigen Stammkunden seien auch schon Tränen geflossen, als sie von der Schließung der Rats-Apotheke erfuhren. Mit Blick auf die letzten Tage in seiner Apotheke wirkt Finke aber völlig gefasst. Am 31. Dezember wird er ein letztes Mal öffnen und dann nach 38 Jahren als Apotheker endgültig die Türen schließen.

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"Es trifft die Schwächsten"

Björn Schmidt, Sprecher der Apotheker im Kreis Höxter, bedauert, dass die Rats-Apotheke schließt und weiß, "es werden noch andere folgen". Die flächendeckende Versorgung sei mit insgesamt 21 Apotheken im Nordkreis noch gewährleistet, "aber das kann sich auch schnell ändern". Versandhandel und Ärzteschwund seien ausschlaggebend dafür, dass auch Apotheken sterben. Gibt es keine Laufkundschaft, "ist man ganz klar auf einen Arzt in der Umgebung angewiesen".

Doch die ländliche Provinz ist nicht attraktiv für den medizinischen Nachwuchs - "auch nicht für die Apotheker", so Schmidt. Zudem gebe es immer weniger Apotheker. "Und man braucht auch Fachkräfte, um eine Apotheke gut aufzustellen. Diese werden vielerorts gesucht, ebenso wie Apotheker", so Schmidt weiter.

Ziel sei es, die flächendeckende Versorgung aufrecht zu erhalten, aber dafür müssten die Rahmenbedingungen passen - "und die Bürger müssen es auch annehmen", betont Schmidt. Schwinden die Apotheken, treffe es vor allem "die Schwächsten der Bevölkerung, die nicht mobil oder im Internet unterwegs sind".
MW Kreis Höxter@ wikipedia